Re: Fragen über Fragen zum Mythos Schwedt
Verfasst: 11 Jan 2015, 22:46
Hallo Lacrimo,
dein Statement ist durchaus allgemeiner Natur, aber da es namentlich und öffentlich an mich adressiert ist und du eine Antwort von mir möchtest, beantworte ich das ebenso öffentlich. Falls das, was ich erwidere, dich nicht überzeugt, nimm es bitte nicht persönlich.
Den Sinn des Forums habe ich nie in Frage gestellt, im Gegenteil, die Schilderungen ehemaliger Häftlinge haben mich im Innersten berührt und ermutigt, eigene Erinnerungen in Worte zu fassen. Es folgt evtl. mehr, sobald mir danach ist - momentan habe ich Wichtigeres zu tun. Es ist gut und lobenswert, dass es dieses Forum und einen Admin gibt, der das über all die Jahre pflegt und hegt. Gäbe es diese Forum nicht, wäre aber bestimmt später an anderer Stelle was Ähnliches entstanden, da gibt es im Internet-Zeitalter verschiedenste Möglichkeiten.
Dass einige DDR-Altkader, von popeligen FDJ-Funktionären bis hin zu eloquenten Stasi-IMs, seit langem in gut dotierten politischen Ämtern untergekommen sind, in demokratisch gewählten Parteien, nun, das ist eine schäbige Geschichte für sich, aber darüber müssen wir hier nicht diskutieren. Wir sind uns vielleicht darüber einig, dass einstige Schwedt-Wärter nur das unterste Glied einer abstrusen Befehlskette darstellen. Das sind aber zum einen die Leute, mit denen wir es ganz persönlich zu tun bekommen hatten und zum anderen macht der niedrigere Dienstgrad die Schikanen, die wir durch diese willigen Befehlsausführer erleiden mussten, nicht geringer oder harmloser. Ich kann nur für meine Erlebnisse in der Disziplinareinheit sprechen, und dort war der erwähnte Wärter zu meiner Zeit "zu Gange". Ich habe keine positiven Erinnerungen an irgendeinen der Wärter. Die Tatsache, dass der Betreffende seine wie die Schikanen seiner "Kollegen" mehr oder weniger offen einräumt und mit seinem Namen dafür steht, ist weder eine Entschuldigung, noch macht das irgendwas ungeschehen. Nur weil die anderen sich versteckt halten, ist einer, der sich zeigt, auch noch kein Held.
Solltest du, Lacrimo, diesem Wärter nur in späteren Vereinszeiten begegnet sein, schön für dich… Es ist jedem Menschen freigestellt, sich seinen Verein auszusuchen, seine Freunde etc. oder Respekt für einen ehemaligen Schließer zu entwickeln. Es steht mir ebenso frei, mir die Geschichte von Schwedt nicht von einem einstigen Schließer erklären zu lassen… Uns Gefangene hat damals keiner nach unserem Befinden gefragt - und das tut auch heute niemand! Man hat uns unter unwürdigen Bedingungen eingesperrt und die Wärter haben uns nach allen Regeln dieser "Kunst" schikaniert - ohne jegliches Mitgefühl. Ich habe mich keines Vergehens schuldig gemacht und wurde ohne jegliches Urteil und ohne jede Möglichkeit der Verteidigung nach Schwedt verschleppt! Warum soll ich irgend eine Nachsicht gegen die mir dort zugefügte Willkür entwickeln? Wenn diese Lumpen ihre miesen Spielchen längst verdrängt haben, wie viel weniger kann man dann wohl durch deren Mitwirkung in einem Verein zur historischen Aufarbeitung des Militärgefängnisses bzw. der Disziplinareinheit an Erkenntnissen erwarten?
Freiwilligen Dienst als Wärter in einer zuchthausartigen Strafanstalt, wo Häftlinge tagesfüllend stumpfsinniger Zwangsarbeit, militärischem Drill und der Willkür des Personals ausgesetzt wurden, als "gravierenden Fehler" zu verharmlosen, wird der Sache nicht gerecht. Nicht einmal in einer Diktatur wird jemand gezwungen, als Wärter in einem Knast, egal welcher Art, zu arbeiten. Für diesen "Beruf" braucht man in jedem System, ob totalitär oder liberal, eine gewisse "Qualifikation", zu der gehört Autoritätsgläubigkeit, Unterwürfigkeit, Loyalität zu Obrigkeiten, Gier nach Anerkennung, nach Belobigungen. Hingegen Anstand und Würde gehören sicher nicht dazu. Wehrlose Gefangene unter Ausnutzung staatlich verliehener Machtbefugnisse zu schikanieren, zu erniedrigen, zu demütigen, so was macht man freiwillig und weil man das als "befriedigende Aufgabe" für sich empfindet. Wem das keinen "Spaß" macht, der kündigt nach der ersten Schicht!
Für jemand, der diese Konsequenz am ersten "Arbeitstag" zieht, wäre Respekt angebracht - und nicht für jemand, der das fast sieben Jahre lang macht und erst mit der staatlichen Abwicklung dieses Objektes entlassen oder versetzt wird. Mal eben das Fähnchen in den Wind hängen, nach anderen Erwerbsquellen umsehen - nun ja, das haben Millionen anderer Mitläufer dieser Tyrannei auch gemacht! Dann in einem anderen Knast quasi die gleiche Arbeit machen, nur mit anderen Dienstvorschriften - das zeugt jetzt auch nicht gerade von radikalem Umdenken! Ungeniert in einer schmierigen Illustrierten wie Superillu als einstiger Schwedt-Wärter posieren? Wer so was noch nötig hat, wie soll man dem auch nur ein Fünkchen Respekt entgegenbringen? Und sich als Krönung dieser Hybris noch zum besonderen Zeitzeugen mit Insider-Wissen stilisieren lassen, ist nun wirklich das Allerletzte…
Für den einen oder anderen Leser wiederhole ich mich, aber für dich, Lacrimo, sage ich es eben auch noch mal: Einen Schwedt-Wärter in einem Verein zur historischen Aufarbeitung von Schwedt mitwirken zu lassen, das ist nichts anderes als den Bock zum Gärtner machen. Einstiges Personal kann man gerne befragen, um Erkenntnisse über die damalige Infrastruktur des Gefängnisses zu rekapitulieren, um Informationen für Forschungszwecke zu sammeln - oder als Zeugenaussage vor Gericht. In einem Verein zur historischen Aufarbeitung hat solches Personal aber nichts verloren - als ehemaliges Personal dort mitzumischen ist an Dreistigkeit nicht zu übertreffen. Man stelle sich vor, jemand musste wegen sogenannter Republikflucht für Jahre in den Stasi-Knast und heute versucht er, seine damaligen Erlebnisse zu bewältigen, aufzuarbeiten oder "in den historischen Kontext zu stellen". Holt man sich da vielleicht Egon Krenz oder einstige Grenzsoldaten zur Aufarbeitung von Mauerbau und Schießbefehl in den Verein?!
Ein Vereinsziel wie "Hilfestellung (…) für die fehlgeleiteten Täter" überhaupt nur zu definieren, ist in meinen Augen schon der blanke Hohn. Es steht diesen "Fehlgeleiteten" frei, eine Selbsthilfegruppe zu gründen und sich gegenseitig zu bemitleiden. Aber es muss ihnen nicht ermöglicht werden, die Geschichte so zu schreiben oder umzuschreiben, wie sie es gern hätten, damit sie heute und später in besserem Lichte dastehen. Ich will hier nicht abschweifen, aber mir sind auch in diesem Forum falsche oder verharmlosenden Behauptungen aufgefallen. Damit befasse ich mich ein anderes Mal. Und nebenbei bemerkt wussten die meisten dieser "Fehlgeleiteten" sehr gut sich selbst zu helfen - die älteren Dienstgrade beziehen heute dicke Renten. Davon kann manch einer, der zu DDR-Zeiten durch diese Lumpen um seine Freiheit und um seine berufliche Chance gebracht wurde, nur träumen. Ganz zu schweigen von den Menschen, die diesen Wahnsinn mit ihrem Leben bezahlen mussten.
Lacrimo, du wolltest eine Antwort von mir. Bitte sehr, das ist mein Standpunkt, ich spreche nur für mich.
Gute Grüße
Mario
dein Statement ist durchaus allgemeiner Natur, aber da es namentlich und öffentlich an mich adressiert ist und du eine Antwort von mir möchtest, beantworte ich das ebenso öffentlich. Falls das, was ich erwidere, dich nicht überzeugt, nimm es bitte nicht persönlich.
Den Sinn des Forums habe ich nie in Frage gestellt, im Gegenteil, die Schilderungen ehemaliger Häftlinge haben mich im Innersten berührt und ermutigt, eigene Erinnerungen in Worte zu fassen. Es folgt evtl. mehr, sobald mir danach ist - momentan habe ich Wichtigeres zu tun. Es ist gut und lobenswert, dass es dieses Forum und einen Admin gibt, der das über all die Jahre pflegt und hegt. Gäbe es diese Forum nicht, wäre aber bestimmt später an anderer Stelle was Ähnliches entstanden, da gibt es im Internet-Zeitalter verschiedenste Möglichkeiten.
Dass einige DDR-Altkader, von popeligen FDJ-Funktionären bis hin zu eloquenten Stasi-IMs, seit langem in gut dotierten politischen Ämtern untergekommen sind, in demokratisch gewählten Parteien, nun, das ist eine schäbige Geschichte für sich, aber darüber müssen wir hier nicht diskutieren. Wir sind uns vielleicht darüber einig, dass einstige Schwedt-Wärter nur das unterste Glied einer abstrusen Befehlskette darstellen. Das sind aber zum einen die Leute, mit denen wir es ganz persönlich zu tun bekommen hatten und zum anderen macht der niedrigere Dienstgrad die Schikanen, die wir durch diese willigen Befehlsausführer erleiden mussten, nicht geringer oder harmloser. Ich kann nur für meine Erlebnisse in der Disziplinareinheit sprechen, und dort war der erwähnte Wärter zu meiner Zeit "zu Gange". Ich habe keine positiven Erinnerungen an irgendeinen der Wärter. Die Tatsache, dass der Betreffende seine wie die Schikanen seiner "Kollegen" mehr oder weniger offen einräumt und mit seinem Namen dafür steht, ist weder eine Entschuldigung, noch macht das irgendwas ungeschehen. Nur weil die anderen sich versteckt halten, ist einer, der sich zeigt, auch noch kein Held.
Solltest du, Lacrimo, diesem Wärter nur in späteren Vereinszeiten begegnet sein, schön für dich… Es ist jedem Menschen freigestellt, sich seinen Verein auszusuchen, seine Freunde etc. oder Respekt für einen ehemaligen Schließer zu entwickeln. Es steht mir ebenso frei, mir die Geschichte von Schwedt nicht von einem einstigen Schließer erklären zu lassen… Uns Gefangene hat damals keiner nach unserem Befinden gefragt - und das tut auch heute niemand! Man hat uns unter unwürdigen Bedingungen eingesperrt und die Wärter haben uns nach allen Regeln dieser "Kunst" schikaniert - ohne jegliches Mitgefühl. Ich habe mich keines Vergehens schuldig gemacht und wurde ohne jegliches Urteil und ohne jede Möglichkeit der Verteidigung nach Schwedt verschleppt! Warum soll ich irgend eine Nachsicht gegen die mir dort zugefügte Willkür entwickeln? Wenn diese Lumpen ihre miesen Spielchen längst verdrängt haben, wie viel weniger kann man dann wohl durch deren Mitwirkung in einem Verein zur historischen Aufarbeitung des Militärgefängnisses bzw. der Disziplinareinheit an Erkenntnissen erwarten?
Freiwilligen Dienst als Wärter in einer zuchthausartigen Strafanstalt, wo Häftlinge tagesfüllend stumpfsinniger Zwangsarbeit, militärischem Drill und der Willkür des Personals ausgesetzt wurden, als "gravierenden Fehler" zu verharmlosen, wird der Sache nicht gerecht. Nicht einmal in einer Diktatur wird jemand gezwungen, als Wärter in einem Knast, egal welcher Art, zu arbeiten. Für diesen "Beruf" braucht man in jedem System, ob totalitär oder liberal, eine gewisse "Qualifikation", zu der gehört Autoritätsgläubigkeit, Unterwürfigkeit, Loyalität zu Obrigkeiten, Gier nach Anerkennung, nach Belobigungen. Hingegen Anstand und Würde gehören sicher nicht dazu. Wehrlose Gefangene unter Ausnutzung staatlich verliehener Machtbefugnisse zu schikanieren, zu erniedrigen, zu demütigen, so was macht man freiwillig und weil man das als "befriedigende Aufgabe" für sich empfindet. Wem das keinen "Spaß" macht, der kündigt nach der ersten Schicht!
Für jemand, der diese Konsequenz am ersten "Arbeitstag" zieht, wäre Respekt angebracht - und nicht für jemand, der das fast sieben Jahre lang macht und erst mit der staatlichen Abwicklung dieses Objektes entlassen oder versetzt wird. Mal eben das Fähnchen in den Wind hängen, nach anderen Erwerbsquellen umsehen - nun ja, das haben Millionen anderer Mitläufer dieser Tyrannei auch gemacht! Dann in einem anderen Knast quasi die gleiche Arbeit machen, nur mit anderen Dienstvorschriften - das zeugt jetzt auch nicht gerade von radikalem Umdenken! Ungeniert in einer schmierigen Illustrierten wie Superillu als einstiger Schwedt-Wärter posieren? Wer so was noch nötig hat, wie soll man dem auch nur ein Fünkchen Respekt entgegenbringen? Und sich als Krönung dieser Hybris noch zum besonderen Zeitzeugen mit Insider-Wissen stilisieren lassen, ist nun wirklich das Allerletzte…
Für den einen oder anderen Leser wiederhole ich mich, aber für dich, Lacrimo, sage ich es eben auch noch mal: Einen Schwedt-Wärter in einem Verein zur historischen Aufarbeitung von Schwedt mitwirken zu lassen, das ist nichts anderes als den Bock zum Gärtner machen. Einstiges Personal kann man gerne befragen, um Erkenntnisse über die damalige Infrastruktur des Gefängnisses zu rekapitulieren, um Informationen für Forschungszwecke zu sammeln - oder als Zeugenaussage vor Gericht. In einem Verein zur historischen Aufarbeitung hat solches Personal aber nichts verloren - als ehemaliges Personal dort mitzumischen ist an Dreistigkeit nicht zu übertreffen. Man stelle sich vor, jemand musste wegen sogenannter Republikflucht für Jahre in den Stasi-Knast und heute versucht er, seine damaligen Erlebnisse zu bewältigen, aufzuarbeiten oder "in den historischen Kontext zu stellen". Holt man sich da vielleicht Egon Krenz oder einstige Grenzsoldaten zur Aufarbeitung von Mauerbau und Schießbefehl in den Verein?!
Ein Vereinsziel wie "Hilfestellung (…) für die fehlgeleiteten Täter" überhaupt nur zu definieren, ist in meinen Augen schon der blanke Hohn. Es steht diesen "Fehlgeleiteten" frei, eine Selbsthilfegruppe zu gründen und sich gegenseitig zu bemitleiden. Aber es muss ihnen nicht ermöglicht werden, die Geschichte so zu schreiben oder umzuschreiben, wie sie es gern hätten, damit sie heute und später in besserem Lichte dastehen. Ich will hier nicht abschweifen, aber mir sind auch in diesem Forum falsche oder verharmlosenden Behauptungen aufgefallen. Damit befasse ich mich ein anderes Mal. Und nebenbei bemerkt wussten die meisten dieser "Fehlgeleiteten" sehr gut sich selbst zu helfen - die älteren Dienstgrade beziehen heute dicke Renten. Davon kann manch einer, der zu DDR-Zeiten durch diese Lumpen um seine Freiheit und um seine berufliche Chance gebracht wurde, nur träumen. Ganz zu schweigen von den Menschen, die diesen Wahnsinn mit ihrem Leben bezahlen mussten.
Lacrimo, du wolltest eine Antwort von mir. Bitte sehr, das ist mein Standpunkt, ich spreche nur für mich.
Gute Grüße
Mario